WELTKULTURERBE BELGIEN




Belgien, Brügge, Foto: Pixabay

Das Königreich Belgien, das in drei Regionen – Brüssel-Hauptstadt, Flandern und Wallonien – gegliedert ist, besitzt in allen Landesteilen von der UNESCO anerkannte „Schätze der Menschheit“.

Flämische Beginenhöfe

Typisch für die niederen Lande - und zu denen gehörte das heutige Königreich Belgien mit den Landesteilen Flandern und Wallonien einst -  sind die Beginenhöfe, die man heute, wenn auch ohne Beginen, in flämischen Städten wie Tongeren, Mechelen, Lier und Kortrijk findet. Hier lebten einst adlige und einfache Frauen in Frauengemeinschaften zusammen. Sie kannten kein Armutsgelübde und unterhielten sich durch eigene Arbeit, zum Beispiel durch das Bleichen der Wäsche. Jederzeit konnten die Beginen den Frauenbund verlassen und sogar heiraten – und das unterschied sie von Mitgliedern eines Nonnenordens. Neben Straßenbeginenhöfen wie in Tongeren gibt es Hofbeginenhöfe wie in Brügge.


Die vier Schiffshebewerke des Canal du Centre

In einem Land, das über Jahrzehnte von Stahl und Kohle geprägt wurde, findet sich auch ein Welterbedenkmal, das an die „moderne Eisenzeit“ erinnert. Dabei handelt es sich um vier historische Schiffshebewerke am Canal du Centre. Zwischen Houdeng-Goegnies und Thieu waren einst vier, seit 1992 unter Denkmalschutz stehende Schiffshebewerke unabdingbar, um die Schifffahrt zwischen Sambre und Schelde zu gewährleisten. Diese wurden mit Wasserkraft betrieben und machten den 1888 bis 1916 entstandenen Canal du Centre zu einer wichtigen nationalen Wasserstraße.


Belgien, Schiffshebewerk. Foto:  K. Jakubec, Wikimedia

Foto: K. Jakubec, Wikimedia


Der Große Platz (Grote Markt / Grand' Place) in Brüssel

Brüssels Visitenkarte und wohl der am häufigsten besuchte Ort der belgischen Hauptstadt ist die Grand’ Place mit ihrem herzförmigen Grundriss inmitten der historischen Altstadt. Dem weitsichtigen Bürgermeister Charles Buls ist es zu verdanken, dass dieses einmalige städtebauliche Ensemble mit dem reich verzierten gotischen Hôtel de Ville (Rathaus) und den verspielten Giebeln der Brüsseler Gildehäuser im späten 19. Jahrhundert nicht der Spitzhacke zum Opfer fiel. Sieben Jahrhunderte zuvor war der Platz ein Ort geschäftigen Handelns und Feilschens. Tuche aus flandrischem Flachs und englischer Wolle wechselten ihren Besitzer. Brot, Fleisch, Heringe, Butter und Gewürze wanderten vom Markt in die Kochtöpfe der Brüsseler.


Belfriede (mittelalterliche Glockentürme) in Flandern und Wallonien

Die meisten Glockentürme, die zum Weltkulturerbe gehören, findet man in der Region Flandern, ob nun in Aalst, Dendermonde oder Mechelen. Einige dieser Glockentürme sind Teil eines Rathauses, andere wie in Antwerpen und auch in Mechelen sind Stadt- wie auch Kirchtürme. Alle Glockentürme besitzen ein wohlklingendes Glockenspiel, das regelmäßig von den jeweiligen städtischen Glockenspielern angestimmt wird. Einst dienten diese Glockenspiele dazu, die Bürger vor Feuerbrunst und anrückenden Feinden zu warnen. Nicht nur in Flandern, sondern auch im Südteil Belgiens, in der Region Wallonien, stehen solche Türme am Rande oder im Zentrum der Stadt, so in Namur, Charleroi, Binche, Mons, Gembloux (ernannt 2005) und Thuin.

Seit 2005 wurde das Welterbe Glockentürme in Flandern und Wallonien um Glockentürme in Nordfrankreich, in den Regionen Picardie und Nord Pas de Calais erweitert. Insgesamt befinden sich 33 Glockentürme – bisweilen einschließlich Rathäuser – auf der Liste der flämischen und wallonischen Glockentürme, im Flämischen Belfried und im Französischen Beffroi genannt. Auf französischer Seite, in Nordfrankreich und in der Umgebung von Paris, stehen noch einmal 23 Glockentürme auf der Liste des Welterbes, darunter Glockentürme in Calais, Bethune, Amiens, Lille und Boulogne.


Jungsteinzeitliche Feuersteinminen bei Spiennes (Mons)

In der gleichen Provinz wie der Canal du Centre befinden sich die jungsteinzeitlichen Feuersteinminen bei Spiennes. Diese Lagerstätten sind die größten bisher bekannten ihrer Art in Europa. Abgebaut wurde in Spiennes das kieselige, blauschwarz, aber auch grau und bräunlich gefärbte Gestein in unterirdischen Schächten. Aus diesem wurde in der Zeit zwischen 5000 und 1800 vor unserer Zeitrechnung Geräte und Waffen hergestellt. Um überhaupt dieses Gestein abbauen zu können, mussten die bis zu zwölf Meter tiefen Schächte mit einfachem Gerät, Geweihpickeln und Knochenschaufeln, gegraben werden.


Altstadt von Brügge

Als besonders schützenwertes und authentisches Flächendenkmal wurde die westflämische Stadt Brügge, das „Venedig des Nordens“, von der UNESCO in den Reigen der Welterbestätten aufgenommen. Die auch als „Flämisches Amsterdam“ bezeichnete, von Grachten durchzogene Stadt ist in ihrer mittelalterlichen Anlage weitgehend erhalten geblieben. Dank der Tuchmacher und der Hanse besaß sie bis ins 14. /15. Jahrhundert hinein hohes Ansehen und Wohlstand. Manch spitzzüngige Kritiker von heute sehen in Brügge ein verträumtes Puppenheim, an dem die Moderne nahezu spurlos vorbeigegangen ist. Sieht man einmal von Konzertbau ab, der 2003 feierlich eröffnet wurde, als Brügge Europas Kulturhauptstadt war, findet man kaum moderne Bauwerke. Statt dessen sind in der Innenstadt 300 Bauten als historische Baudenkmäler unter Denkmalschutz gestellt worden und strahlen mit ihren backsteinernen Fassaden einen besonderen Charme aus.


Belgien, Brügge

Kathedrale Notre Dame in Tournai

Die Kathetrale stammt aus der ersten Hälfte des 12. Jhs. Sie beeindruckt durch ihr riesiges romanisches Kirchenschiff und ihr durch fünf Türme gekröntes Querschiff. Die Architektur verweist bereits auf die frühe Gotik, der im 13. Jh. wieder aufgebaute Chor zeigt bereits den reinen gotischen Stil.


Jugendstilbauten von Victor Horta in Brüssel

Brüssel ist aber nicht nur wegen der Grand’ Place bekannt – sieht man einmal von Manneken Pis ab -, sondern auch wegen seiner zahlreichen Bauten im Stil der Art nouveau. Für diesen avantgardistischen Stil am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts steht vor allem ein Name: Victor Horta. Wie kein anderer Architekt hat er die mondänen Stadtvillen und Stadthäuser begüterter Brüsseler Industrieller und Intellektueller gestaltet. Dabei war er darauf bedacht, transparente Strukturen zu schaffen und die Konstruktionselemente aus Eisen und Nieten nicht zu verhüllen. Hôtel Tassel (1884), Hôtel Solvay (1894), Hôtel van Eetvelde (1895-1897, 1900-1901) sowie Maison und Atelier Horta (1898-1901) sind die wichtigsten Bauwerke, die der in den Adelsstand erhobene Architekt der Nachwelt hinterlassen hat.


Plantin-Moretus Museum

Schließlich wurde auch das Antwerpener Platin-Moretus-Museum als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt. Als Denkmal geschützt ist das ehemalige Wohn- und Verlagshaus von Christoffel Plantin, das von 1576 bis 1876 als solches genutzt wurde. In diesem Haus befindet sich unter anderem ein Archiv, das sich über 154 laufende Meter ausdehnt. Neben der Druckerei und der Setzerei umfasst das Museum auch ein barockes Kunstkabinett und eine aus dem 16. Jahrhundert stammende Bibliothek.


Palais Stoclet

Das von Josef Hoffmann 1911 fertig gestellte Haus samt Gartenanlage stellte eines der homogensten Werke der Wiener Secession dar. An dem Versuch, ein Gesamtkunstwerk zu schaffen, das auch Möbel, Gebrauchsgegenstände und Garten umfasst, waren auch mehrere Künstler der Wiener Werkstätte beteiligt wie Koloman Moser und Gustav Klimt.


Bedeutende Orte des wallonischen Bergbaus

Die vier wallonischen Kohlebergwerke Grand-Hornu, Bois-du-Lac, Bois du Cazier und die Blegny-Mine sind die am besten erhaltenen Beispiele für den Kohleabbau im Belgien des 19. und 20. Jhs. und stellen damit ein wichtiges Zeugnis der industriellen Revolution auf dem europäischen Festland dar.


Das architektonische Werk von Le Corbusier – ein herausragender Beitrag zur "Modernen Bewegung"


Text: Ferdinand Dupuis-Panther / Helmuth Weiss





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