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Goslar, das Bergwerk von Rammelsberg und die Oberharzer Wasserwirtschaft

 

Denkmal vor der Kaiserpfalz

 

Der 30. Juni des Jahres 1988 kann als tiefer Einschnitt in der Geschichte der Stadt Goslar angesehen werden. An diesem Tag verließ der letzte mit Erz beladene Förderwagen die Schachtanlage Rammelsberg. Eine beinahe zweitausendjährige Geschichte des Erzabbaus in dieser Region war damit beendet, die Erzlager erschöpft. Ein Förderwagen der letzten Arbeitsschicht wurde von dem bulgarischen Verpackungskünstler Christo verpackt und damit zum Kunstwerk erhoben, das symbolisch an die Vergangenheit erinnern soll.

Die Kaiserpfalz in Goslar

Wohl schon im 3. Jahrhundert, lange vor der Gründung Goslars noch während der römischen Kaiserzeit, wurde hier Erz gefördert. Bis heute verließ die unvorstellbare Menge von 30 Millionen Tonnen Erz das Bergwerk Rammelsberg. Heute vermittelt eine Führung durch das Besucherbergwerk eindrucksvoll und hautnah die Entwicklung von 10 Jahrhunderten Bergbaugeschichte. Bei der Einfahrt in das Labyrinth der Stollen und Säle, die nur zum Teil Besuchern offenstehen, folgt man einer langen Tradition. Unter den Neugierigen, die es in der Vergangenheit in diese Unterwelt zog, finden sich so große Namen wie Goethe und Kleist, Klopstock und Leibniz und der dänische Märchendichter Hans Christian Andersen, die ihre Erlebnisse zum Teil auch literarisch umsetzten. Anders als früher wird man mit einer modernen Grubenbahn transportiert, zum Beispiel zum Feuergezähergewölbe aus dem 13. Jahrhundert, dem ältesten erhaltenen Grubenraum Europas. Anfangs nur mit Hammer und Meißel wurden in extrem mühevoller Arbeit hunderte Meter lange Stollen in die Erde getrieben. Gewaltige Räder und Gestänge aus Holz demonstrieren den hohen Stand der Ingenieurskunst des 18. und 19. Jahrhunderts. Beeindruckend auch die verschiedenfarbigen Vitriole, kristallisiertes Resterz, das in allen erdenklichen Farben an Wänden und Decken leuchtet: Grün, gelb und rot glänzen Eisenvitriole, intensives Blau geht von Kupfervitriol aus, Weiß deutet auf Zinkvitriol hin. Die Zeiten, in denen dieses Vitriol wirtschaftlich genutzt wurde, in Färbereien, Gerbereien und der Pharmazie, sind längst vorbei.

Die Geschichte der Stadt Goslar ist aufs engste mit der Geschichte des Erzabbaus verknüpft. Der Silberreichtum, der hier aus dem Berg geholt wurde, war Ausgangspunkt der 922 erstmals urkundlich erwähnten Stadt. Nicht von ungefähr ließ Kaiser Heinrich II. hier zu Beginn des 11. Jahrhunderts eine Kaiserpfalz einrichten. Noch heute vermag der voluminöse, zweigeschossige Bau Macht und Glanz der mittelalterlichen Kaiserreiche zu vermitteln. Mit ihm sind Herrscher wie die Salier- und Hohenstauferkaiser Heinrich III. und Heinrich IV. verbunden. Selbst der Papst kam hierher, um den Kaiser zu besuchen. Die Geschichtsschreibung berichtet, dass bis Mitte des 13. Jahrhunderts über 100 deutsche Könige und Kaiser Goslar besuchten und hier residierten.

Das 1521 erbaute Brusttuch zählt zu den beeindruckendsten Patrizierhäusern Goslars

Den absoluten Herrschern folgte das Bürgertum, das die Schätze der Erde ebenfalls zu nutzen wusste. Als Mitbegründerin der Hanse wuchs der Reichtum der Stadt stetig. Auf Schritt und Tritt stößt man bei einem Bummel durch die unzerstörte Altstadt Goslars auf prächtige mittelalterliche Gebäude, häufig Wohnhäuser der Berg- und Hüttenbesitzer, die ihren Wohlstand auch demonstrieren wollten.

Mittelalterliche Architektur vom Feinsten

Wie zum Beispiel das mit hölzernen Kaiserfiguren geschmückte Kaiser Worth am Marktplatz, einst Gildehaus der Gewandschneider und Großkaufleute, die zu den reichsten Bürgern der Stadt zählten. Das ebenfalls im 15. Jahrhundert errichtete Rathaus gleich gegenüber birgt mit seinen Wand- und Deckenmalereien sehenswerte Beispiele der Malerei des ausgehenden Mittelalters. Knapp 1800 Fachwerkhäuser, darunter das Stammhaus der Industriellenfamilie Siemens und das sogenannte Brusttuch, eines der schönsten Patrizierhäuser der Stadt, vermitteln ein buntes Bild verschiedenster Jahrhunderte städtischer Baugeschichte.

 

Dazu zählen auch die 23 erhaltenen Kirchen, deren älteste, die Neuwerkkirche, noch als unveränderte romanische Pfeilerbasilika zu bewundern ist. Bis zu 8 Meter dicke Mauern schützten die Stadt, mächtige Rundbauten wie das Breite Tor und der Zwinger geben Aufschluss über die einstige Wehrhaftigkeit Goslars.

Die Erweiterung der Weltkulturerbestätte 2010 um die Oberharzer Wasserwirtschaft umfasst eines der bedeutsamsten Energieversorgungssysteme aus vorindustrieller Zeit. Ein weitverzweigtes Teich- und Grabensystem stellte die Wasserkraft als Energielieferanten für den Bergbau zur Verfügung.

Helmuth Weiss




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