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Der Heilige Berg Athos

So manchen Wanderern mit Sinn für Ausgefallenes gilt die Region als Geheimtipp, jener östlichste Finger der Chalkidiki im Norden Griechenlands. Wandern auf alten Eselspfaden von Kloster zu Kloster, Übernachten in einfachen Zellen eines alten Klostertraktes und die kurzzeitige Teilnahme am abgeschiedenen Leben der orthodoxen Mönche – so mancher Reiseveranstalter würde diese Tour gerne in sein Programm aufnehmen. Doch auf Athos gehen die Uhren anders.



Für einen Besuch der Mönchsrepublik, die 1963 bereits ihr tausendjähriges Bestehen feierte, sind einige Hürden zu überwinden. Eine davon ist für die Hälfte der Menschen unüberwindbar: Ein aus dem 11. Jh. stammender und bis heute gültiger Erlass verbietet Frauen den Zutritt zum Heiligen Berg, selbst weibliche Tiere sind verpönt. Frauen sind auf Athos nur als Abbildungen weiblicher Heiliger und religiöser Gestalten zu finden, sieht man einmal von den Gebeinen weiblicher Märtyrerinnen ab, die in einigen Klöstern als Reliquien aufbewahrt werden. Ein aufwendiger Prozess, eine Besuchserlaubnis und einen Termin zu erhalten sowie die Beschränkung der täglichen Besucherzahl auf zehn ausländische Besucher für maximal drei Übernachtungen garantiert der Mönchsrepublik, nicht von Besucherströmen überrollt zu werden.

20 Großklöster und zahlreiche kleinere Niederlassungen finden sich auf der 40 Kilometer langen und zwischen 8 und 18 Kilometer breiten Halbinsel, gekrönt vom über 2000 Meter hohen namensgebenden Berg Athos. Weniger als 2000 Mönche sind es, die heute das Leben in der abgeschiedenen Bergwelt einem Alltag in einer rastlosen Industriegesellschaft vorziehen. Neben der Mehrheit der griechisch-orthodoxen Klöster und Mönche bekennt sich je eine Kloster zur russisch-, bulgarisch- und serbisch-orthodoxen Tradition, auch wenn alle Mönche zwangsweise griechische Staatsbürger sein müssen. Arbeiten und Beten bestimmen den Tagesablauf, so ist es schon seit Jahrhunderten. Einige Mönche arbeiten in der Landwirtschaft, andere sind mit handwerklichen Tätigkeiten oder dem Anfertigen von Ikonen und liturgischen Geräten beschäftigt. Soziale oder missionarische Aufgaben sind den Mönchen von Athos fremd, Gott näher zu kommen, ist das einzige Ziel der mönchischen Gemeinschaft. Doch die Glanzzeiten der Klosterrepublik sind längst Vergangenheit, bis zu 40 000 Mönche bildeten hier einst das Zentrum orthodoxer Kultur und Gelehrsamkeit. Durch Schenkungen und Stiftungen byzantinischer Kaiser und Adliger waren die Klöster darüber hinaus mächtige Großgrundbesitzer. Geblieben sind zumindest die Ländereien auf der Halbinsel, geblieben ist auch eine weitgehende Selbstverwaltung innerhalb des griechischen Staates.

Auch wenn Handy und Jeep längst Einzug gehalten haben und zahlreiche weltliche Arbeitskräfte in der Mönchsrepublik tätig sind, ein fast unwirklicher Zauber blieb der Halbinsel Athos bis heute erhalten. Am eindrücklichsten verspürt das der Wanderer, dem sich nach stundenlangem, oft mühevollen Marsch eine immer wieder neue Klosterwelt öffnet. Das relativ junge, aus dem 14. Jahrhundert stammende Kloster Grigoríou zum Beispiel wurde unmittelbar am Wasser errichtet. Es nimmt Besucher gerne auf – was nicht auf alle Klostergemeinschaften zutrifft, die eine „Überfremdung“ befürchten. Nicht weit entfernt in Sichtweite thront das malerisch gelegene Kloster Símonos Pétras auf einem 230 Meter hohen Felsen. Eine knappe Tageswanderung entfernt lockt mit dem Kloster Dionysíou ein weiterer architektonisch interessanter Bau. Die Wohnbauten ragen mit bis zu acht Geschossen in den Himmel, wobei sich Balkone und Zimmer zum Teil abenteuerlich über einem Abgrund befinden. Die Klosterbibliothek ist mit Tausenden von Handschriften und Drucken eine wahre Schatzkammer. Das älteste Kloster, Megístis Lávras, 963 gegründet, wirkt mit seinen Türmen, Kirchen und Mauern auf einem Felsplateau wie eine mittelalterliche Festungsanlage. Auch hier verfügt man über eine reich bestückte Klosterbibliothek. Farbenfrohe Kuppeln, mächtige Fassaden und Holzbalkone kennzeichnen schon von weitem das im 12. Jahrhundert gegründete russische Kloster Ágios Panteléimonos, das noch vor 100 Jahren 2000 Mönchen Platz bot und heute nur noch von wenigen Mönchen bewohnt wird.

Helmuth Weiss

 

 

 


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