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Die Metéora-Klöster

Gott nahe zu sein, welchen besseren - auch symbolisch dies zum Ausdruck bringenden - Platz hätte man sich wählen können. Unvermutet tauchen sie aus der Ebene auf, die Felstürme von Metéora. Die teils grauen, teils in verschiedenen Rotschattierungen in der Sonne glänzenden Felsen wirken wie künstliche Fremdkörper in der flachen Region, wie sie ein moderner Landschaftskünstler kaum phantasievoller schaffen könnte. Einige ragen wie spitze Nadeln gen Himmel, andere erinnern an steinerne Finger oder antike Türme und Pyramiden. Die Auswaschungen des nahegelegenen Flusses Pindiós und eine über Millionen von Jahren andauernde Erosionstätigkeit ließen diese eigentümliche Steinlandschaft entstehen. Bis zu 300 Meter hoch ragen die Felsen aus dem Tal des Piniós empor, so manche Felswand fällt senkrecht ab und die nur wenig abgeflachten Kuppen bieten nur wenig Raum für menschliche Besiedlung.



Doch gerade diese Unzugänglichkeit und Entfernung vom normalen Alltagsleben waren es, die schon frühzeitig Menschen in diese Einsamkeit zog, Einzelgänger, die die Nähe zu Gott suchten. Bereits im 9. Jahrhundert hatten sich Eremiten in Nischen und natürliche Höhlen dieser Felsen zurückgezogen, um betend und meditierend ein gottgefälliges Leben zu führen. Mit primitiven Leitern hatten sie ihre Behausungen erreicht, die sie dann wegstießen, um jeden direkten Kontakt mit Menschen aufzugeben. Mitte des 14. Jahrhunderts wurde dann das erste Metéora-Kloster gegründet, dem bald weitere folgten. Im 16. Jahrhundert existierten schließlich 24 Klöster, die wie Vogelnester über der Ebene thronten. Bis ins 20. Jahrhundert hinein waren sie nur über primitive Seilwinden oder Strickleitern erreichbar, über die Menschen wie Waren mühsam zu den Klöstern gelangten. Diese kontemplative Einsamkeit gewährte nicht nur Schutz vor durchziehenden Soldaten und Räuberbanden, sie war auch Basis dafür, dass sich die Metéora-Klöster – wie die Athos-Klöster – zu einem religiösen und geistigen Zentrum entwickelten.

Ab dem 16. Jahrhundert wurden zunehmend Klöster aufgegeben, heute sind nur noch sechs von ihnen bewohnt. In einigen leben nur Mönche, andere werden von Nonnen bewirtschaftet. Doch die einstige Einsamkeit und meditative Ruhe gehört der Vergangenheit an, die Felsen und Klöster von Metéora haben sich zum Tourismusmagneten entwickelt, heute gehören Souvenirläden und Erfrischungsstände zum Klosteralltag. Mönche und Nonnen haben sich mit dem gewaltigen Besucherandrang arrangiert, täglich ergießen sich während der Hauptreisezeit ganze Busladungen von Touristen in die Klostermauern. Nur auf die Einhaltung strenger Kleidervorschriften wird noch immer geachtet, kurze Hosen oder Röcke und schulterfreie T-shirts werden nicht geduldet.

Kein Besucher muss heute mehr gefährliche Strickleitern erklimmen, um einen Blick auf Architektur und Kunstschätze zu erheischen und eine Ahnung zu bekommen vom Klosteralltag zwischen Himmel und Erde. Auch wenn einige Klosterbauten, wie z.B. die Klöster Ágios Nikólaos (mit Wandmalereien des kretischen Malers Theophánis) und Agía Triada, nur über einen anstrengenden Fußweg zu erreichen sind. Am bequemsten zu erreichen ist das Nonnenkloser Ágios Stéfanos aus dem 14. Jahrhundert, der Kloster- Felsen ist durch eine Brücke mit dem gegenüberliegenden Berg verbunden. Das um 1350 gegründete Kloster Megálo Metéoron ist das größte der noch bewohnten Klöster und vielleicht auch das beieindruckendste. Über einhundert in den Fels gehauene Stufen ermöglichen den Besuch des Klostermuseums, in dem unter anderem wertvolle alte Handschriften und Ikonen gezeigt werden. Von Interesse sind auch die gut erhaltenen Fresken der Hauptkirche, die aus dem 16. Jahrhundert stammen. Fast 200 Stufen sind es, die hinauf zum nicht weit entfernten Kloster Várlaam führen, das ebenfalls aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammt. Von kunsthistorischer Bedeutung sind dessen farbenfrohe Fresken in der Klosterkirche, vermutlich ein Werk des bekannten, aus Athos stammenden Ikonenmalers Katelános aus dem 16. Jahrhundert.

Helmuth Weiss

 

 

 


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