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Patmos

Nähert man sich Skála, der kleinen, aber quirligen Hafenstadt von See her, präsentiert sich Patmos mit eindrucksvollem Panorama. Hoch oben glänzen die weißen Häuser des Dörfchens Chóra im Sonnenlicht, in deren Mitte die mächtige Krone des Johannesklosters thront. Fast wirkt die Szene dem irdischen Treiben hier unten ein wenig entrückt. An manchen Sommerabenden schließlich verwandeln Scheinwerfer die Szene gekonnt in eine filmreife Kulisse.

Während der Saison belagern mehrere Kreuzfahrtschiffe täglich die Bucht und spucken ihre Besucher stoßweise und nur für wenige Stunden an Land. Und alle haben sie ein Ziel: die Grotte der Apokalypse und das Johanneskloster in Chóra.



Auf halbem Weg den Berg hinauf legen die Touristenbusse am Offenbarungskloster (Moní tis Apokálipsis) den ersten Stopp ein. Das Kloster selbst wurde erst im 17. Jahrhundert gegründet, doch eigentliches Ziel ist die Grotte der Apokalypse, die über vierzig hohe Stufen zu erreichen ist. Der Legende nach markiert sie den Ort, an dem der Evangelist Johannes um 95 n. Chr. seinem Schüler Próchoras eine göttliche Offenbarung (Apokalypse) diktierte. Dieses letzte Buch des Neuen Testamentes ist aufgrund seiner schwer verständlichen Andeutungen und Drohungen noch heute Quelle unterschiedlichster Interpretationen und Gegenstand leidenschaftlicher Auseinandersetzungen. „Aus dem Qualm quollen Wolken von Heuschrecken, die überfielen die Erde, unwiderstehlich wie Skorpione. Sie hatten Befehl, das Gras, das Grün und alle Bäume der Erde zu schonen, die Menschen aber zu überfallen, die das Malzeichen Gottes nicht an der Stirn trugen. Ihr Auftrag war nicht, sie zu töten, sondern sie fünf Monate lang zu quälen“

Wer sich eher an Sichtbarem und Handfestem orientiert, dem werden in der Grotte zwei mit Silber eingefasste Nischen präsentiert. In die eine soll Johannes während der Ruhezeiten sein müdes Haupt gebettet haben, in die andere soll er während des Diktierens die Hand aufgestützt haben. Ein großer, dreispaltiger Riss in der Felsendecke wird noch heute als Zeichen von Gottes heiliger Dreifaltigkeit gedeutet.

Das nach außen trutzig erscheinende Johanneskloster, in seinen Ursprüngen im 11. Jahrhundert vom Abt Christódoulos gegründet, ist das alles beherrschende Bauwerk von Chóra. Die mächtigen Außenmauern mit einem Umfang von 70 mal 53 Metern umfassen ein verschachteltes Gebilde, das im Laufe der Jahrhunderte mehrfach aus- und umgebaut wurde und aufgrund dessen keinen architektonisch reinen Stil verkörpert. Neben dem mit farbigen Kieselsteinen ausgelegten Klosterhof erhebt sich der Kreuzkuppelbau des Katholikons, der Hauptkirche des Klosters. Mit ihren Wandmalereien, die bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen, einer der Höhepunkte der Anlage. Die von hier aus zugängliche Schatzkammer des Klosters sowie die vom Abt Christódoulos gegründete Bibliothek mit tausenden von Handschriften und Büchern, die bis ins 6. Jahrhundert zurückgehen, sind normal Sterblichen nicht zugänglich. Einen Einblick in die im Laufe der Jahrhunderte angesammelten Schätze des Kloster bietet jedoch das Museum mit seinen Ikonen, Handschriften und liturgischen Geräten.

Die meist weiß gekalkten Häuser an schmalen Gassen des im 15. Jahrhundert um das Kloster herum gegründeten Ortes Chóra wirken von der Straßenseite her abweisend und fast ein wenig festungsartig. Kein Wunder bei den in dieser Zeit immer wieder auftretenden Piratenüberfällen und Plünderungen der Insel, die Patmos bisweilen bis an den Rand des wirtschaftlichen Ruins brachten. Doch trotz aller Neuerungen konnte hier ebenso wie im Kloster das mittelalterliche byzantinische Flair und Erscheinungsbild in Teilen erhalten werden, wie ein Bummel durch die engen und teilweise überwölbten Gassen und über kleine Plätze spürbar werden lässt. Die mächtigen Patrizierhäuser der Altstadt künden vom Reichtum des Klosters und von der Handelsflotte der Insel, die Anfang des 17. Jahrhunderts 40 Schiffe umfasste. Erst einer der seltenen Einblicke in die heimeligen, von Blumen bewachsenen Innenhöfe und der Anblick der von viel Holz- und Keramikelementen geprägten Architektur lässt eine Ahnung von damaliger Wohnkultur wohlhabender Kapitäne und Händler aufkommen.

Helmuth Weiss

 

 

 


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