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Pythagoreion und Heraion von Samos

Der griechische Geschichtsschreiber Herodot ließ es an besonders lobender Würdigung nicht fehlen, als er von Samos berichtete. Hier habe es die drei mächtigsten Werke der Griechen gegeben: den Hafendamm von Samos, den Tunnel durch den Berg Ampelos sowie den riesigen Hera-Tempel.



Und in der Tat handelt es sich bei diesen Bauten um herausragende architektonische und technische Meisterleistungen des vorchristlichen Jahrtausends. Samos war im 6. Jahrhundert v. Chr. auf dem Höhepunkt seiner Macht angelangt. Dem Tyrannen Polykrates war nicht nur das Kriegsglück hold, er verstand es auch, bedeutende Künstler und Wissenschaftler seiner Zeit auf die Insel zu holen. So ließ er eine riesige Mole anlegen, die den Hafen schützte, eine der technischen Glanzleistungen des griechischen Altertums; Sklaven aus Lesbos mussten einen Großteil dieser Fronarbeit verrichten. Seine Flotte aus 150 Booten und ein stehendes Heer von über 1000 Bogenschützen waren wohl der Hintergrund für diese Anlage. Mit Hilfe des Architekten Eupalinos gelang Polykrates darüber hinaus das vielleicht genialste Werk altgriechischer Technik: Wohl um gegen Belagerungen gefeit zu sein, umgab er seine Hauptstadt nicht nur mit einer sechs Kilometer langen Stadtmauer, er wollte auch die Trinkwasserzufuhr während dieser prekären Zeiten sichern und ließ deshalb einen über 1 km langen, mit Wasserröhren ausgelegten Tunnel durch den den Weg versperrenden Berg Ampelos treiben. Von zwei Seiten gruben sich die Arbeiter aufeinander zu, bis sie sich irgendwo in der Mitte des Berges trafen. Man nimmt an, dass die Arbeiten fünf Jahre beanspruchten. Diese technische Meisterleistung eines versteckt angelegten und begehbaren zwei Meter breiten Tunnels, der wohl auch als Fluchtweg bestimmt war, wurde auch in späteren Jahrhunderten noch genutzt, wie zahlreiche Funde belegen. Nach Ausgrabungen in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts kann der Tunnel heute wieder begangen werden.

Eine Heilige Straße, in römischer Zeit mit Pflasterung versehen, führt fast schnurgerade zum sieben Kilometer südwestlich der Stadt gelegenen Hera-Heiligtum. Mehrfache Grabungen bestätigten die überlieferten Legenden, dass hier schon in frühester Zeit ein heiliger Ort gewesen sein muss, Grabungsfunde zeugen von kultischen Ritualen mindestens ab dem zweiten Jahrtausend v. Chr. Diese frühe Verehrung einer Gottheit der Erde und der Fruchtbarkeit verschmolz um die Wende zum ersten Jahrtausend v. Chr. mit der Anbetung Heras, in der griechischen Mythologie die Gemahlin des Zeus. Doch geht sie auf weit ältere Zeiten zurück, sie war wohl eine vorgriechische Natur- und Fruchtbarkeitsgöttin, die „Hervorbringerin von Allem“, wie sie noch im 6. Jahrhundert dichterisch gerühmt wurde. Sie galt als Symbol der Fruchtbarkeit, als Göttin der Weiblichkeit schlechthin und wurde anfangs in Form eines rohen Holzbrettes verehrt, das erst in griechischer Zeit in eine Menschengestalt annehmende Götterfigur umgestaltet wurde. Ersten Tempeln und Altären zu Ehren der Göttin folgte ab 570 v. Chr. nach Plänen der Architekten Rhiokos und Theodoros die Errichtung eines riesigen Tempels, für Herodot „der größte, den wir kennen“ und eines der Sieben Weltwunder. Eine einzige, aus den Ruinen aufragende Säule zeugt heute noch von der Großartigkeit des Baus, der in Form eines Dipteros angelegt war, eines Tempels mit doppelter Säulenreihe, und umfasste 123 Säulen, die bis zu zwanzig Meter in den Himmel ragten. Riesig seine Ausmaße für die damalige Zeit: er bedeckte eine Fläche von 55 mal 112 Meter.

Die heute vorfindbare Ruinenlandschaft lässt sich nur mit großer Phantasie beleben, auch von den lebens- und überlebensgroßen Götter- und Menschenstatuen, die einst die Prozessionsstraßen säumten, sind nur noch Bruchstücke erhalten geblieben. Doch zeugen auch diese Reste, die zum Teil im örtlichen Museum zu bewundern sind, noch von dem hohen Niveau der Skulpturenkunst auf Samos.

Helmuth Weiss

 

 

 


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