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Vergina

Eine wahre Sensation für die griechische Archäologie stellte die Entdeckung von zwei Gräbern im Jahr 1977 dar. Anders als es die Ausgräber meist gewohnt waren, hatten die Grabräuber der verschiedensten Jahrhunderte hier ihre „Beute“ nicht entdeckt: Unter einem hohen Erdhügel mitten im Dorf Vergina wurden drei Gräber freigelegt, von denen zwei noch völlig unversehrt erhalten waren. Kostbare Funde ließen die Wissenschaftler schließlich zu dem Schluss kommen, dass es sich dabei um Königsgräber handeln müsse, darunter die letzte Ruhestätte König Philipp II., Herrscher über das makedonische Reich im 4. Jahrhundert v. Chr. und Vater seines noch berühmteren Sohnes Alexander der Große. Die sogenannten Königsgräber sind Teil eines größeren Friedhofes mit einer Vielzahl von Gräbern, die bis in die frühe Eisenzeit zurückweisen.



Zusammen mit weiteren Funden – Stadtmauern, Palast, Theater und Tempel – war man sich schließlich sicher, dass man hier die antike Stadt Aigai vor sich hatte, die erste Hauptstadt der Makedonier, die zwischen dem 7. Und 4. Jahrhundert v. Chr. den Höhepunkt ihrer Macht erreicht hatte.

Zu den aufregenden Funden der Gräber zählen mehrere Freskenmalereien, darunter die bedeutendsten der griechischen Monumentalmalerei überhaupt. Der „Raub der Persephone“ durch Gott Pluto, in einem vierspännigen Wagen stehend, zählt zu den großartigsten Fresken. Kräftige Linienführung, sichere Kenntnis der Perspektive und eine sensible Auswahl vornehmlich warmer Töne wie Rot und Kastanienbraun weisen auf einen bedeutenden Maler hin, vermutlich der Maler Nikomachos, der um die Mitte des 4. Jahrhunderts lebte. Ein großer Malerfries von mehr als ein mal fünf Metern bedeckt die Fassade des Grabes Philipps II. Wilde Tiere, Reiter und Männer fügen sich zu einer Jagdszene zusammen, die Löwen und Ebern gilt, und auf der wahrscheinlich auch Philipp II. und sein Sohn Alexander dargestellt sind. In einem Marmorsarkophag dieses größten Grabes wurden in einer kostbaren goldenen Truhe die Gebeine eines Toten entdeckt, vermutlich Philipp II. Über 7 Kilogramm reines Gold wurde für die Herstellung dieses Behältnisses verwendet. Seinen Deckel ziert ein großer, sechzehnstrahliger Sonnenstern, das Königsemblem makedonischer Könige. Auf die Gebeine des Toten war eines der eindrucksvollsten goldenen Schmuckstücke der griechischen Antike gelegt worden: Über 300 Eichenblätter und 68 Eicheln, in feinster Goldschmiedekunst gefertigt, formen einen über 700 Gramm schweren Eichenkranz. Ein weiterer Grabraum barg eine zweite goldene Truhe, etwas kleiner und einfacher geschmückt, aber ebenso mit dem königlichen Emblem versehen. Die Gebeine einer Frau, vermutlich die Gattin Philipp II., waren in feinstes Goldpurpurgewebe eingewickelt, das beigelegte goldene Diadem aus Blättern und Blüten zählt zu den eindrucksvollsten Stücken griechischen Kunsthandwerks überhaupt.

Reste von elfenbeinverzierten Holzmöbeln, zahlreiche raffiniert verzierte und handwerklich auf hohem Niveau hergestellte Silbervasen und Bronzegefäße aus den Gräbern vermitteln einen Eindruck vom Reichtum des damaligen Königssitzes, aber auch von seinem hohen kulturellen Standard. Von besonderem Interesse ist die komplette Waffenausrüstung eines vornehmen Kriegers mit zahlreichen Verteidigungs- und Angriffswaffen. Das verwendete Holz und Leder hat sich in den vergangenen Jahrhunderten vollständig aufgelöst und das Eisen von Schild und Helm, Panzer und Beinschienen hat zwar seinen ursprünglichen Glanz verloren, doch ihre erhaltenen Verzierungen, darunter goldene Löwenköpfe, Elfenbeinbeschläge und reliefgeschmückte Goldbänder, zeugen von edlem Kunsthandwerk. Der Schmuck der Funde lässt den Schluss zu, dass es sich dabei um rein zeremonielle Waffen gehandelt haben muss. Besonders prachtvoll ein sogenannter Gorytos, eine Kombination von Köcher und Bogenbehälter, dessen Goldreliefs Szenen mit Kriegern und sichtlich angsterfüllten Frauen mit Kindern im Arm zeigen.

Mittlerweile ist der ursprüngliche Grabhügel in veränderter Form wiederhergestellt worden. Er birgt nun ein Museum, das die freigelegten Gräber eindrucksvoll der Öffentlichkeit präsentiert.

Helmuth Weiss

 

 

 


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